Patient: | Igor von der Nordwand (Blücher – der Bücher Blog) |
Erstdiagnose: | Verdacht auf LESEN |
Symptome: | übermäßiger Konsum von Geschichten aller Art - außer Horror |
Aktenvermerk: | PATIENT DOKUMENTIERT SUCHTVERHALTEN |
Coming-Out: Ich habe LESEN
Gedächtnisprotokoll der Behandlung:
Minutenlang sitzen sich Igor und Lady Bookosa schweigend gegenüber. Schließlich hält es der Patient nicht länger aus und ergreift das Wort:
Lady Bookosa nickt zufrieden.
1. Nun ist es raus, wie fühlst du dich?
Jetzt, da es offiziell ist… besser. Außerdem habe ich ja ein Buch in der Hand. Das gibt mir Halt.
2. Wann und wie hast du dich mit LESEN infiziert?
Das ist eine Gen-Geschichte. Diese Krankheit wurde mir von meiner Großmutter mütterlichseits vererbt. Und die hat’s wiederum von ihrer Oma.
3. Wie geht dein persönliches Umfeld mit deiner Krankheit um und wer muss am meisten unter ihr leiden?
Ich gebe zu, seit geraumer Zeit haben wir wegen der Bücher in der Wohnung ein Platzproblem. Aber ich sage immer: besser Bücher als Schuhe von Zalando. Mein Umfeld sieht das Ganze positiv – gebt mir ein gutes Buch und ich belästige meine Mitmenschen nicht mit Haushaltsdingen.
4. Stehst du viel in Kontakt mit anderen Infizierten und nutzt Selbsthilfegruppen im Internet?
Ein Symptom der Krankheit ist ja, dass man fast schon zwanghaft über Bücher reden muss. Aber nur so kann man überhaupt mit der Infizierung vernünftig umgehen. Vermeidet man den Kontakt mit anderen Infizierten kann das zu schweren Depressionen führen! Dem Drang, jemand von einem guten Buch zu erzählen, sollte man unbedingt nachgeben. Und dafür eignet sich das Internet natürlich hervorragend, da es auch außerhalb der Stammtischzeiten geöffnet hat.
5. Warst du schon auf den als Buchmessen getarnten Infiziertentreffen in Frankfurt und Leipzig und wie hat es dir dort gefallen?
Frankfurt und Leipzig sind einfach zu weit weg. Da ich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Infektion bin, kann ich es mir leider nicht mehr erlauben, mich mehr als 15 Kilometer von meinem Stoff zu entfernen.
Lady Bookosa unterbricht die Sitzung und wirft einen Blick in ihre Kristallkugel. Bei der Betrachtung der Zukunft kann sie sich ein Lächeln nicht verkneifen…
6. In deinem nächsten Leben wirst du in einem Roman wiedergeboren. Irgendwelche Wünsche?
Ist das ganz sicher, dass da nur von EINEM nächsten Leben die Rede ist? Ein klein wenig unverschämt, sich dermaßen einschränken zu müssen. Na, gut. Ich wähle „Lost in a Good Book“ von Jasper Fforde. Fragen Sie nicht, weshalb. Lesen Sie das Buch einfach.
7. Wir schreiben das Jahr 2163, die Welt liegt in Schutt und Asche. Die Menschheit wird nach dem Arche-Noah-Prinzip evakuiert. Welche zwei Autoren sollten gerettet werden?
The Great Zhark (wird 2096 geboren) und die 2014 wiedererweckte Chesire Cat.
8. Unglaublich, aber wahr, auch DU wirst evakuiert. Du hast in der Bevölkerungs-Tombola zwei Tickets für die Reise zum Mars gewonnen. Wen nimmst du mit und vor allem wer darf am Fenster sitzen?
2163 werde ich bereits steinalt und halblind sein. Deshalb nehme ich meine junge und hübsche Vorleserin mit. Und natürlich werde ich am Fenster sitzen.
Aber das ist Zukunftsmusik. Lady Bookosa verdeckt die Kristallkugel und blickt den Patienten ernst an.
9. Wie müsste - Stand heute - der Titel deiner Biografie lauten und welcher Schauspieler wäre die Idealbesetzung für die Verfilmung des Buchs?
Titel: „Gone with the book“. Als Hauptdarsteller kommt nur Marty Feldman in Frage.
10. Die Welt weiß nun, dass du LESEN hast. Was sollte sie sonst noch über dich wissen?
Ich habe auch schon E-Books gelesen. Auf einem Tablet. Am Smartphone. Nein, ich schäme mich nicht dafür. Im Handschuhfach ist ein Buch, in der Tasche ebenfalls. Am Schreibtisch und am Nachtkästchen liegen mehrere. Ich sortiere meine Bücher nach Farbe, manchmal auch nach Größe. Oder nach Autor. Ich habe manche Bücher bereits mehr als sechsmal gelesen. Meinen Urlaub verbringe ich ausschließlich in Bibliotels. Ich kann keinen Tag ohne Buch sein. Ja, ich habe LESEN im Endstadium…. und das ist gut so!
Lady Bookosa bedankt sich für das Gespräch und bittet den Patienten zur weiteren Behandlung in einen Nebenraum. Als Igor den Raum verlassen hat, schließt Lady Bookosa die Akte und donnert einen Stempel auf den Einband.
INFIZIERT - Heilung ausgeschlossen!