Shana (Shana’s Apfelkiste)


Patientin: Shana Fehr (Shana’s Apfelkiste)
Erstdiagnose: Verdacht auf LESEN
Symptome: übermäßiger Konsum von Fantasy
Aktenvermerk: PATIENTIN DOKUMENTIERT SUCHTVERHALTEN

Coming-Out: Ich habe LESEN

Gedächtnisprotokoll der Behandlung:

Minutenlang sitzen sich Shana und Lady Bookosa schweigend gegenüber. Schließlich hält es die Patientin nicht länger aus und ergreift das Wort:

Ich habe Lesen - Augenringe

Lady Bookosa nickt zufrieden.

1. Nun ist es raus, wie fühlst du dich?

Befreit! Endlich die Gewissheit und auch die Freude über die Enthüllung zu spüren ist einfach wunderbar. Man spürt richtig, wie sich dabei die Brust hebt und die Nase sich nach oben richtet. Ich bin stolz darauf und bemitleide die Geimpften, die dieses Vergnügen nicht teilen.

2. Wann und wie hast du dich mit LESEN infiziert?

Als kleines Mädchen wurde ich von meiner Grundschullehrerin in die Schulbibliothek geschleift und bin seitdem nicht mehr aus einer Bibliothek zu kriegen. Ich habe schon mehrere Lieblingsbuchhandlungen und Bibliotheken, die mich als Gastkunden feiern. Natürlich hat mich die ganze Harry Potter- Reihe meiner lieben Mutter nicht verschont und mich noch mehr in die Krankheit hineingezogen.

3. Wie geht dein persönliches Umfeld mit deiner Krankheit um und wer muss am meisten unter ihr leiden?

Manche rollen nur die Augen, doch die meisten haben kein Verständnis für mein Verhalten. Völlig irrational, finden sie, doch für mich kann ich nie verrückter nach Büchern sein. Besonders meine Mutter wird dabei in Mitleidenschaft gezwungen, denn sie finanziert mein Bücherregal, das mal wieder vom Einsturz gefährdet ist. Und auch mein Rücken leidet, denn er muss immer die Last der Bücher aus der Bücherei herumtragen, obwohl es noch lange nicht genug sind.

4. Stehst du viel in Kontakt mit anderen Infizierten und nutzt Selbsthilfegruppen im Internet?

In meiner spärlichen Freizeit hänge ich nur am Computer um den Booktubern zu lauschen, die neusten Meldungen meiner Leidensgenossen in mich aufzusaugen und die neusten Angebote zu checken. Und nur Buchbegeisterte können mein Interesse an einem Gespräch wecken.

5. Warst du schon auf den als Buchmessen getarnten Infiziertentreffen in Frankfurt und Leipzig und wie hat es dir dort gefallen?

Da ich leider aus der Schweiz stamme, kam ich bisher nicht dazu eine Buchmesse zu besuchen, doch im Herbst werde ich notfalls zu Fuss oder auf Knien rutschend nach Frankfurt fahren.

Lady Bookosa unterbricht die Sitzung und wirft einen Blick in ihre Kristallkugel. Bei der Betrachtung der Zukunft kann sie sich ein Lächeln nicht verkneifen…

6. In deinem nächsten Leben wirst du in einem Roman wiedergeboren. Irgendwelche Wünsche?

*Träum* Ich würde mir nichts lieber werden, als eine zierliche kleine Fee, die mit ihrem Kampfgeschick, Weisheit und Güte die Wälder und die Schönheit der Natur bewahrt und ihre grosse Liebe dort findet.

7. Wir schreiben das Jahr 2163, die Welt liegt in Schutt und Asche. Die Menschheit wird nach dem Arche-Noah-Prinzip evakuiert. Welche zwei Autoren sollten gerettet werden?

Wenn es nach mir ginge, müssen Christopher Paolini und Joanne K. Rowling überleben, denn ohne ihre Werke, gäbe es für mich keinen Sinn mehr.

8. Unglaublich, aber wahr, auch DU wirst evakuiert. Du hast in der Bevölkerungs-Tombola zwei Tickets für die Reise zum Mars gewonnen. Wen nimmst du mit und vor allem wer darf am Fenster sitzen?

Natürlich würde ich Christopher Paolini mitnehmen, denn während der langen Fahrt kann er mir in aller Ruhe über Eragon und die Drachen erzählen und da ich so einen Respekt über sein Genie habe, überlasse ich ihm den Fensterplatz.

Aber das ist Zukunftsmusik. Lady Bookosa verdeckt die Kristallkugel und blickt die Patientin ernst an.

9. Wie müsste - Stand heute - der Titel deiner Biografie lauten und welcher Schauspieler wäre die Idealbesetzung für die Verfilmung des Buchs?

Aus jeder Welle wird ein Sturm, denn ich erscheine klein, kann aber richtig gross wirken. Da ich ein grosser Fan von Carey Mulligan’s Kurzhaarschnitt bin, würde ich grosse Freudensprünge machen, wenn sie mich verkörpert.

10. Die Welt weiß nun, dass du LESEN hast. Was sollte sie sonst noch über dich wissen?

Obwohl ich unter LESEN leide, hab ich auch meine Phasen, in denen ich als beinahe normal gelte, doch ich finde immer wieder meinen Weg zurück, denn nur durch die Erkrankung erfuhr ich, was mich wirklich glücklich macht und bewies mir, dass man auch mit kleinen Dingen zufrieden leben kann.

Lady Bookosa bedankt sich für das Gespräch und bittet die Patientin zur weiteren Behandlung in einen Nebenraum. Als Shana den Raum verlassen hat, schließt Lady Bookosa die Akte und donnert einen Stempel auf den Einband.

INFIZIERT - Heilung ausgeschlossen!